Rom
Natürlich stand als erstes das Colosseum auf dem Programm. Die letzte Strecke fuhr ich mit der U-Bahn. Sind die Italiener und insbesondere die Römer sehr auf die Einhaltung der Corona-Regeln bedacht, so war diese U-Bahn Fahrt alles andere als Corona-konform. Es ist schon etwaqs krotesk, wenn man draußen im Freien bei geringer Personendichte von Polizisten aufgefordert wird, die Maske aufzusetzen und hier wird alle Vorsicht über den Haufen geworfen.

Ich stolperte aus dem U-Bahnschacht und
wow
stand vor diesem Koloss. Das war schon sehr überwältigend. Das Foto ist nicht gut, aber es macht den gewaltigen Eindruck deutlich. Mehr sieht man auf den ersten Blick auch mit seinen Augen nicht. Und die Baustellenabgrenzung gehört auch zur Realität. Da ich kurz zuvor im Amphitheater in Orange war, sparte ich mir den Eintritt. Die Architektur der beiden Bauwerke ist ähnlich, nur die Größe ist unterschiedlich. Und die macht es hier aus.

Auch das Forum Romanum sah ich mir nur von außen an. Etliche Schautafeln erläuterten, was ich hier sah. Es beeindruckte mich, welche gewaltigen Bauwerke vor 2000 Jahren hier errichtet wurden und wieviel ich davon noch sah.
Ein Bauingenieur überlegt natürlich, mit welchen Hebezeugen diese schweren Bauteile aufeinandergesetzt wurden. Mit der Bonner Rekonstruktion konnten nur niedrige Bauwerke erstellt werden. Für das, was hier sichtbar war, mussten es wesentlich größere Geräte sein.

Nahe am Forum lief ich durch die Altstadt mit verwinkelten Gassen und kleinen malerischen Plätzen.
Das fällt natürlich einem Abwasseringenieur ins Auge: die Abwasserkanäle des alten Roms. Zwei Jahrtausende dauerte es, bis sie in unseren Breiten wieder neu erfunden wurden. Wie hier nachzulesen ist,

wurden sie vor allem wegen der Oberflächenentwässerung gebaut. Da das Trinkwasser von außen in die Stadt geleitet wurde, gab es vermutlich keine hygienischen Probleme, die die Ableitung des Abwassers erforderlich machten. Trockenlegung und Ästhetik standen im Vordergrund.
Je weiter ich mich vom Forum entfernte, desto länger und geradliniger wurden die Straßen. Das Flair der Altstadt machte Bauwerken wie dem Tevi-Brunnen und der spanischen Treppe Platz, die Reichtum und Macht einzelner repräsentieren.


In den Läden war der italienische Schick zu bewundern. Selbst die Corona-Masken mussten etwas besonderes sein.
Ich gönnte mir ein Pizza und hatte einen kleinen Tischgast, der neidisch auf mein Essen schaute.

Die vier (die zweite Frau fehlt auf dem Bild) waren von Siena nach Rom gepilgert. Der linke musste seinen beeindruckenden Wanderstab beim Sicherheitscheck zurück lassen. Im Petersdom wurden die beiden Männer noch wegen ihrer kurzen Hosen zurecht gewiesen. So haben Menschen, die nicht nur als Touristen hierher kommen, noch Probleme mit der Kirche.

Der Tempel des Aeskulap im Borghese Park
Am zweiten Tag spazierte ich lange durch den schönen Park der Borghese. Sehr erholsam in einer solchen Stadt.
Hier lauschte ich auch der Harfenspielerin

Im unmittelbaren Garten der Villa Borghese waren mehrere nakte Jünglinge und eine nackte junge Frau aufgestellt. Da darf jeder seiner Fantasie freien Lauf lassen.
Aus dem Geschlecht der Borghese stammen ein Papst und etliche Kardinäle. Es ist ein Paradebeispiel für die Verquickung von Politik, Macht und Kirche.

Nicht nur die Fotografinnen auch ich hatte meinen Spaß an den Giraffenbäumen.


Blick vom Petersdom: Die Römer haben es tatsächlich geschafft, Hochhäuser zu vermeiden. In den Außenbereichen gibt es schon mal 20 und mehr Stockwerke. Sie sind aber so weit von Stadtkern weg, dass man sie auf diesem Bild nicht sieht.
Ich verlies Rom nach Süden auf seinem einzigen Radweg. Der verläuft 20 km lang entlang dem Tiber. Von der Stadt sah ich darauf nicht viel, aber er war bequem und fast ohne Verkehr zu fahren.

Weiter verlief die Route durch neuere, dicht bebaute Vorstädte. Farbe, Balkone und Anordnung verleihen ihnen etwas Lockeres. Die Häuser sind nicht klotzig. Ich fand es angenehm hindurchzufahren und könnte mir auch vorstellen, hier zu wohnen. In Deutschland gibt es jede Menge schlechtere Beispiele.

Die Harfenspielerin
Schon von Weitem hörte ich die Harfentöne. Es war zauberhaft.
Vatikan
Wie komme ich in die Sixtinische Kapelle?
Karten gibt’s nur über Internet. Dazu habe ich ca 20 Minuten gebraucht. Eine extra App musste installiert werden um den QR-Code vorzeigen zu können. Es folgten mehr Kontrollen als in einem Flughafen bis ich endlich drin war.
Ich hatte mir vorgestellt, über den Hof direkt in die Kapelle zu kommen. Nein, so einfach kommt man nicht in’s Heiligtum.
Ich musste durch viele prunkvoll ausgestattete Säle schreiten. Riesige Bilder und Gobelins wollten mir Glaube und Unglaube erklären. Vergoldete Decken verursachteten Beklemmung.
Jesus bei den Emmaus Jüngern. Das ist ein schöner Gobelin. Betrachtenswert!
Die Menge und Maßlosigkeit erschlugen mich. Es ist nicht mein Ding.

Ich traute meinen Augen nicht. Die vollbusige EngelFrau in der Mitte des Bildes trägt einen goldenen Tanga! Ja einen Tanga gab es offensichtlich schon vor ein paar hundert Jahren. Die Männer rechts und links beugen sich. Sag einer mal, die Kirche sei frauenfeindlich. Wer mehr Nacktheit sehen will, schaue sich in Ruhe die Sixtinische Kapelle an.

Gibt es so ein Bild auch in einer Kirche für’s einfache Volk, damit man bei der Predigt auf die richtigen Gedanken kommt?
Es ist in den Räumen sehr viel nacktes Fleisch dargestellt und das in dieser prüden Kirche.
Tragen Bäuerinnen solche Kleider? Nein, nur Frauen des Adels können sich das leisten. Jesus ist nicht den Priestern und Schriftgelehrten erschienen, er ist den Hirten auf dem Felde erschienen. Das waren Menschen des niedrigsten Standes. Warum beschäftigt sich diese Kirche mit den Reichen und nicht mit den Armen?

Die Bildunterschrift nennt Constantini Imperio Victoria. Es geht hier also nicht um die Verabscheuung von Krieg und Gewalt, sondern um die Glorie des Siegers. Bilder von Gewalt und Totschlag sind die Mehrheit, die ich hier gesehen habe. Beispielsweise hängen neben einem Gobelin der Auferstehung Jesu drei Gobelin mit der Ermordung der Kinder durch Herodes. Warum dieses Zahlenverhältnis?

Friede auf Erden verkündigen die Engel den Hirten. Der kommt weder von den Reichen noch von den Kriegern.
Das auffallendste Bild der Sixtinischen Kapelle ist das jüngste Gericht von Michelangelo. Darauf sind alle Menschen gleich, nämlich nackt. Interessant fand ich, dass einige aus der Hölle fliehen konnten. Welche Aussage hat Michelangelo damit gemacht?
Sieht man von dem Inhalt ab, dann sind die Bilder und die Fresken fantastische Kunst. Das Licht, die Faltenwürfe, die Farben, die Detaillierung der menschlichen Körper – das ist schon faszinierend.
Es bleibt mir aber der fade Beigeschmack, dass hier mehr die Geldgeber und der Klerus dargestellt wurden als Aussagen zum christlichen Glauben.
Das reicht bis in heutige Zeit. Die Restauriering der Sixtinischen Kapelle wurde durch den Verkauf von Rechten finanziert. Deswegen ist das fotografieren dort verboten.
Nach 2 h verließ ich ziemlich erschlagen die Räumlichkeiten, leider ohne mir die Moderne (z. B. Dali und Barlach) angesehen zu haben.
im Süden
Es ist auffallend. Schon im Süden von Rom fing es an müllig zu werden. Dies hier kann man fast eine wilde Müllhalde nennen. Sie liegt im Bereich der Vorstädte von Rom. Aber auch längs der weiteren Straßen liegt ein Haufen Müll im Graben. Hier wird einfach alles aus dem Auto geworfen. Es ist erstaunlich, wie sich in so kleinem Raum das Verhalten der Menschen eines Volkes so ändern kann. Ist ihnen nicht klar, das Plastik und Metall nicht von alleine verschwinden?

Ein weiterer Punkt in dem sich der Süden vom Norden unterscheidet ist das Hupen. Ich wurde hier mehr angehupt als in Deutschland und das will was heißen. Ich interpretiere es als den Anspruch „weg mit dem Rad. Die Straße gehört dem Auto“. Oft ist es auch so. Manchmal aber ist es so gemeint: „Achtung, ich komme“, also als warnender Hinweis zu verstehen. Hupen gehört im Süden zum guten Ton.
In den Abruzzen war es anders. Kein Müll und kein Gruppe Punkt der Wechsel war für mich sehr auffallend.
Abruzzen
Das Gewitter zog an mir vorbei. Trotzdem wurde das Zelt am Übernachtungsplatz nass. Der nächste Tag begann mit Sonnenschein und heftigen Schmerzen in der Schulter. In einer Bar machte ich eine längere Pause und schrieb Karten. Das Solarpaneel neben mir lieferte dazu den nötigen Strom. Der Wirt war begeistert über meine Ausrüstung und meine Tour. Bezahlen und weiter ging es bergauf.

Poglia liegt auf rd. 750 m Höhe. Ich erreichte es im letzten Abendlicht und fand einen schönen Zeltplatz abseits der Straße. Die Nacht war schmerzhaft. Nach weiterem Aufstieg am nächsten Morgen lud mich doch tatsächlich ein schöner Rastplatz neben der Straße zum Frühstück ein. Eine ausgesprochene Seltenheit. Er enstand auf eine Initiative des Papstes hin. Bei dieser Gelegenheit wurde auch mein Zelt wieder trocken.
Der Weg von einem Gipfel zum nächsten führt durch ein Tal. Davon macht der Apennin reichlich Gebrauch. Es ging erst mal richtig abwärts bevor ich in Jenne wieder auf 850 m war.
Der Ort ist weitgehend bewohnt. Wovon leben die Menschen hier? Die Landwirtschaft ist längst erloschen. Zur nächsten Industrieregion haben sie einen langen Weg, Auch einkaufen kann man vor Ort nur wenig.

Die Berge im Süden sind deutlich höher als ich gerade fahre.

Mit italienischen Schotterwegen hatte ich schon Bekanntschaft gemacht. Trotzdem habe ich sie wieder in Kauf genommen. Mit einem Mountainbike ohne Gepäck lässt sich sowas wohl locker fahren. Mich hat es sehr viel Kraft gekostet und schnell ging es gar nicht. Sehr unangenehm sind die Rinnen. Ist man mal drinnen, dann ist es schwer wieder raus zu kommen, weil die Flanken aus sehr weichem, rolligen Material sind.

Auf 1.500 m habe ich übernachtet. Am Morgen waren Innen- und Außenzelt zusammen gefroren. Abbauen und ausschütteln so gut es geht bevor die Sonne kommt! Kalte Finger sind obligatorisch. Bären ud Wölfe sind nicht aufgetaucht.

Da geht es rein. Mal sehen.
Mehr dazu gibt’s hier

Bergab wurde ich wieder vom Schotter heftig durchgeschüttelt. Knackige Schmerzen wanderten in Arm und Schulter auf und ab. Mittlerweile war klar, dass es mehr die Talfahrten und weniger die Bergfahrten waren, die mir so zusetzten. Da ich keine Ahnung hatte, was los war, beschloss ich ein Krankenhaus aufzusuchen. Bis dahin waren es noch mehr als 30 km.
Was mich so plagte wurde nicht geklärt. Aber es war nichts Lebensbedrohliches. Die Untersuchung mit Blutbild und EKG war kostenlos. Ich hätte gerne was bezahlt um meine Auslandskrankenversicherung zu plündern.
Der nächste Tag war komplett verregnet.
Collarmele ist stolz auf seine Windräder. Auf dem Dorfplatz sind sie mit farbigem Pflaster dargestellt. Es gibt eine ganze Menge davon auf diesen Grashügeln.

Nach den Windrädern kam der Pass. Für die Bergfahrt hatte ich mich leicht angezogen. Oben gab es Regen aber kein Dach. Umziehen war nicht möglich. Die Abfahrt war so kalt wie sie flott war. Und zur Talfahrt gehören Schmerzen. Kälte lindert üblicherweise den Schmerz, aber nicht bei mir.
Es ging nun dauerhaft abwärts bis zu Adria. Im Lee der Berge war es trocken. Das hob die Stimmung.
Hunde
Ich mag Hunde. Ich habe nur keinen. Wie sollte ich wochenlang mit dem Rad reisen, wenn zuhause ein Hund jault?
In Italien hatte ich immer Hunde, mehr als mir lieb war. In jedem Anwesen springen mindesten zwei rum. Wenn ich vorbei fuhr, kläfften sie sich die Kehle aus dem Hals. In der Emilia Romagna kam ich alle zwei Minuten an einem Haus vorbei. Also war permanentes Gekläffe in der Luft. An jedem Capingspot, egal wie einsam er war, es wurde immer irgendwo gekläfft.
Bei einem solchen Bedarf an Hunden gibt es natürlich eine Menge Hundezüchter. Kommt man an einem vorbei, was unvermeidbar ist, dann wäre es gut, Ohropax zu haben.
Dieses aufgeregte Gekläffe hat mich einfach nur genervt. Markus Weber hatte Pfefferspray dabei und sich damit die Bulgarischen Hunde vom Leib gehalten. Ich hätte es auch gerne gehabt, nur um ihnen eins auf die Schnauze zu geben.
Die Köter kläfften immer hinter stabilen Einfriedungen mit noch stabileren Rollgittertoren. Die Klingeln waren mit Gegensprechanlage und Kamera ausgerüstet. Das sah aus wie Hochsicherheitstrakte. Sowas findet man in Deutschland meisten, wenn Leute ihren Reichtum dahinter verstecken. In einsamen Gegenden wie dem Massiv Central oder Norwegen/Schweden gibt es das gar nicht. Ich würrde gerne höhren, was ein Soziologe zu dieser angsterfüllten Gesellschaft sagt.
Gefährlich waren die Köter nie, weil hinter dem Zaun. Als ich die einsame SS5 von Collarmele nach Castel di Ieri fuhr, kam am Pass eine Schafherde zielstrebig auf die Straße zu. Ich wunderte mich, dass die Schafe so geordnet und gradlinig liefen, bis ich die drei Köter an der Spitze der Herde sah. Die Schafe wussten wohl aus Erfahrung, warum sie so brav hinter ihnen her liefen. Als die Köter mich wahr nahmen, war ich sofort Mittelpunkt ihres Interesses. Ich wusste gar nicht, dass ich einem Wolf ähnle, denn Wölfe gibt es hier und zu deren Abwehr braucht der Schäfer scharfe Hunde. Ich hatte kein Pfefferspray dafür Angst um meine Waden. Zum Glück ging es bergab und nach zwei Tritten ins Pedal gaben sie auf. Auch wenn sie mich angriffen, es machte wenigstens Sinn, dass sie die Herde bewachten.
Pfefferspray kommt auf die Packliste!


