Comer See – Rom

An der Adda

Schon bei der Vorbereitung hatte ich entdeckt, dass es an der Adda ein langes Stück abseits der Straße entlang geht. Aber wie schön dieser Weg ist konnte mir Brouter nicht sagen. Es ging viele km auf diesem Weg am Bach entlang. Ich fuhr in der Region Bergamo, die zuvor von Corona heimgesucht wurde. Den Menschen hier saß noch die Angst im Nacken. 3-köpfige Familien spazierten mit Maske im Freien.

Bergamo ist eine alte Industrieregion, von der noch die Kraftwerke an der Adda zeugen. Sie wurden um 1914 erbaut. Im Vergleich zu modernen Industriebauten sind sie sehr schön. Noch in Betrieb, sind sie auch sehr langlebig und damit nachhaltig.

Ich finde es erstaunlich, dass es schon so früh eine beachtliche Elektrifizierung gab.

In Cassano musste ich etwas nach einem Übernachtungsplatz suchen und fand ihn in einer Lichtung im Uferwald. Wasser zum waschen ist immer gut. Noch besser war der schöne Platz für’s Frühstück. Da fängt der Tag gleich gut an.

Po

Der Po ist der Arsch.
Die Poebene ist im Arsch.
Warum?


Warum?

Die Dörfer sind tot.

Warum?

Darum:

So sieht die Landwirtschaft hier aus. Fleischproduktionsfabriken. Der Kapitalius hat mal wieder volle Arbeit geleistet und alles Kleine kaputt gemacht.

Die Po-Ebene ist öde und langweilig.

auf nach Zeri

Ich bin kein Stadtmensch. Landschaft begeistert mich mehr. Aber in dieser öden Po-Ebene ist eine Stadt wie Piacenza eine Erholung. Sie hat ein angenehmes, ruhiges Flair und ist doch lebendig.

Im Cafe traf ich einen Wanderer. Am Rucksack erkannt ich, dass er länger unterwegs war. Er konnte Englisch. Unser Gespräch kam in Gang. Es stellte sich heraus, dass sein Sohn der Chef von REWE-Deutschland ist. Die Welt ist klein

So ein Rathausbau gefällt natürlich einem Bauingenieur.

Endlich bin ich in den geliebten Bergen. Natürlich ist das anstrengender als die Ebene aber viel interessanter.

Hier wird keine autogerechte Straße reingeklotz. Die Italiener arangieren sich mit den Gegebenheiten. Die gewachsene Struktur löst, ähnlich wie in Piacenza, angenehme Gefühle aus. Zu leben verstehen die Italiener.

Zeri

Lasse Lappland und Lou Lauscher haben sich vor einiger Zeit in Zeri in Italien ein kleines Haus auf einem großen Grundstück gekauft. Wie kann es sein, dass jemand, der so für den Norden schwärmt und schon mehrmals in Lappland war, sich ein Haus in Italien kauft?

Nun, Zeri ist nicht das Italien, das sich der Normaltourist vorstell. Es liegt auf 600 m Höhe in den Bergen und Lasses Haus nochmal 100 m darüber, umgeben von hohen Bergen. Es hat schon einen Hauch von Norwegen.

Natürlich wollte ich ihn überraschen. Auch wenn ich bei der Reisevorbereitung so manches Wichtige vergessen habe, so habe ich mir doch einen halben Tag Zeit genommen, um mit seinen Informationen den genauen Ort heraus zu bringen. 

An meinem Kocher ging ein Ventil nicht auf. Deshalb fuhr ich kurz vor Zeri in Pontremoli vorbei. Die Autowerkstatt hatte zu. Mittagspause. Zum Zeitvertreib ging’s in die Altstadt um Fotos und erstaunte Blicke zu sammeln.

Die Werkstatt hatte immer noch zu. Auch ein Mittagessen reichte nicht bis zur Öffnung. Die italienische Siesta ist ausgedehnt.

Ich fuhr unverrichteter Dinge los. Auf dem Weg aus der Stadt kam ich an einer der ungeliebten Baustellen vorbei. Wasserleitungsbau! Die Freunde kenne ich.

Sie hatten alles was ich brauchte und Interesse dazu. Mein Kocher funktionierte wieder.

Weiter ging’s schwitzend den %reichen Weg hinauf.

Auf der folgenden bequem zu fahrenden SP überholte mich ein Hamburger Auto. Was um alles in der Welt machen denn deutsche Touristen in dieser gottverlassenen Gegend?

Wenige km vor dem Ziel ging das Gewitter los. Ich hatte nur das Gepäck abgedeckt und ein Cape übergeworfen. Es schüttete. Die Schuhe füllten sich und hinten an der Hose floss ein Bach runter. Ein Hauch von Norwegen eben.

Die letzten 300 m ging es einen schnaps%igen, steinigen, ausgespülten und glitschigen Weg hinab.
Nur schieben!.
Ich war da.

Aus dem Fenster schaute ein fröhliches Gesicht. Es schien, als würde sie mich kennen, aber ich wusste nicht woher. Dann erschien Lou im Fenster und begrüßte mich mit einem erstaunten „Nils!“. Die Überraschung war gelungen.

Lou und Lasse hatten Besuch von Frida Fröhlich und Kurt Kutscher bekommen. Die beiden hatten schon in Pontremoli diesen verrückten Radler mit dem Solarpanel gesehen und mich auch mit dem HH-Auto überholt. Aus Kurts Erklärung: „dieser Typ kommt den Weg runter“, konnte sich Lasse keinen Reim machen. In seiner Vorstellung konnte niemand den Weg ohne seine genaue Beschreibung finden.

Beim gemeinsamen vorzüglichen Abendessen in der alten Mühle unterhalb des Hauses erzählte Kurt von seiner Fahrt mit der Kutsche von Deutschland nach Pommern. Anders als ich dachte, konnte Kurt nicht in der Gegend herum schauen und träumen, sondern musste auf den Weg aufpassen und das Pferd so lenken, dass das Gespann nicht durch Steine oder Schlaglöcher in Gefahr geriet. Besonders spannend war das Anspannen, weil Kurt dabei kurz die Zügel los lassen musste, das Pferd dann aber los lief. Eine köstliche Vorstellung.

 Ich habe gelernt: eine Reise mit der Kutsche ist mindestens so erlebnisreich wie eine Radteise. Ich war etwas neidisch. In meinem Traum fuhr ich beim Adlon vor und mein Pferd ließ am Eingang ein paar Pferdeäpfel liegen.

Das ist reisen, wenn sich zwei, die was vom Reisen verstehen, zufällig bei einer Reise treffen.

Das Haus ist heimelig. Die Bruchsteinwände sind innen sichtbar. Boden und Decke sind aus Holz. Es ist sparsam eingerichtet, aber was man braucht ist da. Oben ist der Wohnraum und unten Schlafraum und Bad

Das Grundstück ist riesig und das Mähen des steilen Hanges eine richtige Aufgabe für Lasse, die ihn glücklich macht.

Das Grundstück mit Haus von der anderen Talseite gesehen. Hier wird deutlich, wie einsam es ist. Ein Hauch von Norwegen eben.

Norwegisch ist auch der Regen, der hier begonnen hat und mit der Zeit stärker wurde.

Ich blieb noch einen Tag und hatte Zeit und genügend Strom, um endlich meinen Blog zu schreiben.

Mein Zelt in Zeri. 

Ich hätte weitere Tage dort ausgehalten, zumal das regnerische Wetter nicht gerade zum Radeln anspornte. Aber die Unruhe in den Beinen…..

Keuchend schoben Lasse und ich mein beladenes Rad den Weg hoch.

Die Straße hatte mich wieder.

Von Zeri bis Rom

Auf mehreren Fahrten nach Korsika habe ich auf dem Weg über den Apennin Blicke in die Emilia Romagna geworfen und gedacht, dieses liebliche Land würde ich mir gerne ansehen. Deshalb stand es auf dem Reiseplan.

Der zweite und drängendere Grund war die Flucht vor dem Regen. Ich hatte schon genügend Regen abbekommen und es sollte noch schlimmer werden. Also nix wie über den Hauptkamm auf die wetterabgewandte Ostseite. Schon nach einer halben Stunde Abfahrt kamen die ersten Sonnenstrahlen. Aber immer wieder standen drohende Wolken am Himmel. Über 1 000 m Höhe fuhr ich im Regen, je weiter darunter, desto trockener und sonniger.

Dolce Vita
Guten Wein, Oliven, Pecorino und Brot: in dieser Ecke liese es sich vorzüglich damit aushalten. Die Italiener*innen verstehen es.

Hinter dem Friedhof fand ich ein schönes geschütztes Plätzchen mit Trinkwasser gleich um die Ecke. Das Pferd nebenan war nicht erfreut über den neuen Übernachtungsgast und wagte sich erst am nächsten Morgen in mein Blickfeld. Das Zelt ist noch vom Morgen nass.

Der Sturm war stark. Manchmal blies er den Regen so übers Land, dass ich im Sonneschein durch den Regen fuhr. Die Tropfen glitzerten vor dunklem Hintergrund. Zum Schutz blieb die Kamera in der Tasche

Typisch Emilia Romagna. Zwischen wenigen Dörfern übers ganze Land gestreute Häuser. Hier wohnen noch viele Leute, deshalb sind die Dörfer anders als in der Po-Ebene und in Ligurien nicht ausgestorben. Eine Bar, einen Bäcker und einen Tante Emma Laden findet man überall.

Dunkle Wolken und dazwischen Sonne. Diese zauberhaften Stimmungen mag ich, auch wenn es manchmal nass ist. Auf und ab geht es immer und oft mit ordenlich Prozenten.

Um dem ständigen Auf und Ab etwas zu entkommen fuhr ich ein Stück Küstenebene und kam in dieses beschauliche Städtchen. Es stand wohl ein Fest an und in der Luft lag die Vorfreude darauf. Ich spürte es.

Es war der erste Tag mit gutem Wetter und im Westen stiegen infolge der starken Niederschläge große Quellwolken auf.

Ich startete einen neuen Versuch über die Berge zu kommen. Aber am nächsten Morgen drohten wieder die Wolken: wir machen dich nass!! Also trotz der schönen Landschaft wieder zurück an die Küste.

Ich hatte eine Flasche Wein aber keinen Korkenzieher. Selbst in Italien gibt es in einem Bergdorf keinen Korkenzieher. Ich wurde an die Bar nebenan verwiesen. Der Wirt verkaufte mir keinen Korkenzieher sondern öffnete die Flasche.
Geht das??? Nein!!!
Also leistete ich mir bei ihm ein Bier. Es lief so gut rein, dass ich gleich noch ein zweites bestellte. Er strahlte mich an. Diese Lösung war gelungen.

In den Bergen gibt es nur wenig Wein, an der Küste aber umso mehr. Und der ist gut auch wenn er bei uns unbekannt ist! Und Kiwis, jede Menge. Ich kannte die Bäume nicht, bis ich diese Früchte sah.

Ehe ich mich versah, war ich an der Küste. Dieser verträumte Hafen könnte fast in Dänemark sein.

Aber

der Blick um die Ecke offenbarte: ich war am Teutonengrill gelandet. Nur war der völlig verwaist. Viele Kilometer vorher dachte ich, dieses Hotel sei ein Getreidesilo.

Orientierung tat Not. Bei Sonnenschein in einer Bar brauchte das 3 Cappuccini. Die Wirtin war sehr erfreut über diesen Ersatzteutonen. Woher und Wohin konnte ich mittlerweile italienisch erklären. Zum Abschied wurde gewunken.

Ich wunderte mich,

dass auf dem Navi San Marino größer geschrieben war als Rom. Von Ferne sah die Stadt oben am Hang mit den Burgen darüber imposant aus. Bis dahin wusste ich noch nicht, dass San Marino die älteste Republik der Welt, der drittkleinste Staat Europas, nicht in der EU und ein steinreicher Staat ist. Der Verkehr im Umfeld von San Marino war grausam. Ich wollte deshalb möglich schnell weiter. Hätte ich gewusst, was San Marino ist, wäre ich vielleicht hinein gefahren. Aber oft ist es so, dass die Sicht von außen schöner ist als in der Stadt selbst.

Mir Zeit zu nehmen, um interessante Sachen anzusehen, langsam zu reisen, muss ich immer noch lernen.

Auf dem Weg nach San Marino hat mich der 18-Jährige Simone eingeholt. Er ist im Jahr zuvor mit seinem Bruder 1000 km nach Marseille gefahren und hatte deshalb Interesse daran mich zu begleiten. Er war es, der den Grillplatz unterhalb dieses Klosters fand. Hier verbrachte ich gut behütet eine ruhige Nacht.

Wenige Meter entfernt von dem Grillplatz war dieser Fluss, der die EU-Wasserrahmenrichtlinie problemlos erfüllt. Selbst die Wasserqualität dürfte stimmen, jedenfalls bevor ich mich darin gewaschen habe.

Ob in dieser roten Kirche christlicher Sozialismus gelebt wird? Wahrscheinlich nicht, denn sie ist bestimmt katholisch. Pennabilli ist ein sehr markant gelegenes Städtchen unterhalb dieses Felsens mit dem Kreuz darauf.

Auf der Fahrt zum folgenden Pass habe ich mehrfach die Grenze zwischen Emilia Romagna und Toskana überfahren.

Kurz nach dem Pass fand ich dieses traumhafte Plätzchen für die Nacht auf einer Weide. Natürlich war das wieder ein Privatgrundstück, aber der nächste Bauer war weit weg und ich bin ungesehen drauf und wieder runter gekommen.

Abends habe ich meistens Eintopf gekocht. Da die Fleisch- zubereitung nicht so ganz einfach ist, war es immer vegetarisch. Fleisch habe ich nur in Form von Wurst beim Vesper gegessen. Einmal gab es Spaghetti mit Gorgonzolasoße. Die Sahne dazu fand ich glücklicherweise mit Schraubverschluss, gut transportabel. Als ich sie aufmachte, war in der oberen Hälfte Schlagsahne, geschlagen von den vielen Schlaglöchern.

Montepulciano ist ein 200%iges Touristenkaff. Ein Weinladen neben dem anderen und dazwischen Souvenirläden. Auf den Straßen 100 Touristen auf einen Einheimischen. Trotzdem habe ich auf dem zentralen Platz Cappuccino getrunken und mein Tagebuch geschrieben. Zwei Straßenzüge abseits war ich alleine.

Ich war in der Toskana. Man sieht’s.

Grosseto. Von unten sehr beeindruckend. Auch hier wäre es vielleicht gut gewesen, ich hätte die 150 m Aufstieg auf mich genommen und mindestens die Höhlen unter der Stadt angesehen.
Zeit nehmen! Langsam reisen!
Ich beließ es dabei eine Bar im Neubaugebiet zu besuchen, um meine

Elektronik aufzuladen und etwas Wein zu trinken. Offensichtlich machte ich den Eindruck eines Clochards, Denn wie so oft auch in anderen Bars wurde ich von der Barkeeperin ziemlich kritisch empfangen. Mit jeder Bestellung wurde sie freundlicher und kurz vor Torschluss machte sie keine Anstalten mich rauszuschmeißen.


Etliche Kilometer fuhr ich über Feldwege durch diese Haselnussplantagen. Zeitweilig hatte ich Bedenken, ob ich überhaupt wieder raus finde. Und Panik, wo ich hier problemlos zelten kann.

Das Problem löste sich:

In Monterosi fand ich dieses schöne Plätzchen für die Nacht. Auf öffentlichem Grund und kurz geschorener Wiese, mit Bank und Waschgelegenheit war das schon ein super+ Camping Spot. Allerdings war in dem See abgrundtiefer Schlamm, in dem ich nach zwei Schritten bis zu den Knien versank. Nicht ganz an-genehm, aber ich kam wieder raus und habe mich auch gewaschen.

Ich hatte vergessen rechtzeitig Wasser zu besorgen. Das war hier kein Problem denn ich konnte einen km in den Ort fahren und am zentralen Platz Wasser fassen.

Ein Spaziergänger interessierte sich für mich. Im Laufe der Unterhaltung erklärte er mir, wo ich in Rom am besten Zelten konnte. Bis dahin waren es von hier noch 40 km.