Abfahrt
Das Ticket nach Taschkent war gebucht und das Visum für Tadschikistan beantragt und bezahlt. Dann kam Corona und machte die Radtour über den Pamirhighway zunichte. Kleinere Urlaube und Touren füllten die Zeit. Auch sehr schön. Aber irgendwann kribbelte es mich in den Beinen. Die Spanienbilder von Pushbike Girl faszinierten mich. Damit war das Ziel klar. Dann kam die zweite Welle und machte auch dies zunichte. In diesen Zeiten bleibt einem nichts anderes übrig, als nach der Anzahl der Neuinfektionen das Ziel auszuwählen. Da war Italien ganz klar der Favorit. So ging ich es nach kurzer und etwas hektischer Vorbereitung leider los.
Schwanenbachtal
Kinzigtal und Gutachtal sind leicht aufwärts zu fahren. In Hornberg schickte mich BRouter ins Schwanenbachtal. Gleich nach dem Abzweig ging’s zur Sache nach dem Motto der Klettersteige: wer das nicht schafft soll’s sein lassen.
Nach einem km eröffnete sich ein Traum. Ein idyllisches Schwarzwaldtal wie vor 100 Jahren. Ausschließlich alte Bauernhäuser schön restaurert.

verträumte Sitzplätze. Ich kann mir gut vorstellen, wie hier die Besitzer nach getaner Arbeit den Abend genießen.

Eim Bachlauf der zum Lagern einlädt.

Die Straße ist gut asphaltiert. Trotzdem fährt nur hin und wieder ein Auto vorbei. Es ist still.
Bis auf den letzten Anstieg war die Strecke für mich fahrbar.

Oben angekommen eröffneten sich weite Blicke.
Die Strecke war nicht weiter und nicht anstrengender als das Gutachtal, aber viel schöner.

Städte im Voralpenland
In den Posts der Norwegenfahrt habe ich von meiner Begeisterung von Korbach und den Städten längst der Weser berichtet. Das muss ich relativieren, denn die süddeutschen Städte stehen den norddeutschen nicht nach.
Den Auftakt machte Gengenbach, nicht gerade im Voralpenland, aber es passt in die Reihe.

In den Seitengassen begeisterten mich die Fachwerkhäuser und deren Anordnung. Diese Atmosphäre würden wir heute mit dem Zwang zur autogerechten Stadt nicht mehr hinbringen.

In Villingen Schwenningen fuhr ich durch den Randbereich mit vielen Straßen und Baustellen. Laut und nervig! Hier siegte die autogerechte Stadt. Das krasse Gegenteil zu Gengenbach. Davon gibt es kein Foto. Warum eigentlich? Es ist eine merkwürdige Eigenschaft, dass ich von den schönen Anblicken begeistert bin und gleich den Foto zücke. Den hässlichen will ich schnell entkommen: kein Foto. Dabei gehören die genauso zum Leben und zur Tour und würden die schönen Anblicke durch den Kontrast aufwertem. Wäre ich durch die Innenstadt von Villingen Schwenningen gefahren, hätte ich auch Schönes gesehen. Hätte, hätte, Fahrradkette……
Es war Sonntag und es mangelte mal wieder am Brot. Aber eine offene Bäckerei konnte Pfullendorf nicht bieten, dafür umso schönere Fachwerkhäuser.

Besonders gefiel mir das Alte Haus, erbaut 1317 direkt an der Stadtmauer. Hier sind die Kopf- und Fußbäder mit Schwalbenschwänzen eingearbeitet (schwäbischer Mann, alemannisches Fachwerk?)

Das Hospiz in Bad Waldsee ist ein aus der übrigen Bausubstanz herausragender Bau.

Leutkirch hat weniger Fachwerhäuser aber viel alte, gut sanierte Bau-substanz, so dass es viele malerische Winkel und Plätze gibt. Leutkirch gehört den Ein-heimischen. Das fand ich angenehm.


Auch dieser moderne Brunnen hat seinen Reiz.

Neben St. Lorenz in Kempten gab es einen schönen Biergarten. Schon daran merkt man, dass ich mittlerweile in Bayern war. Dazu gehörte natürlich ein Bier, nein ein RADler und eine Mettknödelsuppe.

Auch Kempten hat kaum Fachwerkhäuser. Die alten Gebäude sind modern restauriert, vielleicht auch neu gebaut. Das konnte ich nicht genau feststellen. Häuser aus unterschiedlichen Epochen erzählen von der Geschichte der Stadt.

Altes Rathaus Kempten.

In Füssen schockte mich der Touristenrummel. Er war schlimmer als in Gengenbach und Bad Waldsee zusammen. So hatte ich wenig Ruhe um mir die Stadt genauer anzusehen. Abseits der Kneipenstraße war es etwas ruhiger.

Hahntennjoch
Ich wollte dem Verkehr auf dem Fernpass ausweichen und dachte, das Hahntennjoch sei ein ruhiger Pass. Am Beginn des Passes war noch ein weiterer Radler und wir tankten Kalorien und Wasser. Schon da wurde klar, das ist kein ruhiger Pass. In einem fort fuhren Motorräder und Porsche an uns vorbei.
Der Pass hat stellenweise 13% Steigung. Da hieß es hin und wieder für mich schieben und die Aussicht zu genießen.
Blick zurück auf die Allgäuer Alpen

Fahrt in den Himmel.
Immerhin kam und ich so rechtzeitig oben an, dass ich meinen Radelgenossen noch traf. Auffallend war, dass Motorradfahrer und die wenigen Windelbomber oben Rast machten, während die Porsche, Audi TT etc durchfuhren. Die Erklärung dazu soll dich jeder selbst überlegen.

Die Abfahrt war steil und lang, die Kurven meist unübersichtlichtlich um Felsnasen herum. Vom bremsen wurden die Felgen heiß und ich musste mehrere Pausen zur Abkühlung machen. Trotzdem ist eine solche Abfahrt ein Genuss.

Ich hatte bei meinem Radhändler Felgenbremsen durchgesetzt, weil ích sie überall selbst reparieren kann. Jetzt wird er über mich lachen. Aber Scheibenbremsen sind bei einer solchen Belastung auch nicht ohne. Hier kannst du nachlesen, wie man das verhindert
oberes Inntal
Ich habe schon viele Alpentäler gesehen. Meistens sieht man rechts und links die Hänge der Vorberge, manchmal felsig, manchmal bewaldet und vor sich am Ende des Tales einen hohen Berg. So etwa hatte ich mir das Inntal vorgestellt.
Es war anders. Durch die Breite des Tales sieht man rechts und links die hohen felsigen Berge. Es ist ein gewaltiger Eindruck.

Es gibt einen fast durchgehenden Radweg, der allerdings meistens auf der Talsohle und dort überwiegend im Wald verläuft.

An solchen Stellen ist das zwar sehr reizvoll, aber auf die Dauer wäre mir das zu langweilig.

Ich bin über längere Strecken auf der Straße gefahren, die meistens auf der Hochterrasse verläuft. Dort ist der Blick viel schöner.

Zwischendurch gibt es auch mal Burgen zu begutachten.

oder Lamas

In der Mittagspause saß ich an der Kirche und hatte diesen Blick. Kann es schöner sein? Das Dorf war denkmalgeschützt. Es hatte natürlich seine Schwierigkeiten zu überleben.

Schöne, gut erhaltene graubündener Dörfer. Ich kann nicht sagen, warum sie mir so gut gefallen. Ich habe mich darin einfach wohl gefühlt.


Die Wuchtigkeit der Architektur passt zur Bodenständigkeit der Schweizer. Aber man wird nicht erschlagen davon.
Die Fenster sind schon sehr klein. Durch die Abschrägung der Laibung kommt etwas mehr Licht in das Haus. Die Weite des Tales bietet viel Licht.

Nicht zuletzt die Rätische Bahn. Es ist noch eine richtige Eisenbahn. Hier wird gemütlich gefahren und der Fahrgast hat Zeit zum Schauen. Es gibt kein Fahrradabteil, es gibt einen Fahrrad Waggon. Wo gibt es eine schönere Eisenbahn?


ab zum See
Vor dem Maloja-Pass war es so flach, dass ich mit Tempo beinahe daran vorbei gefahren wäre. Und das, obwohl das Schild in Sichtweite stand.

Dafür ging es von da an um so steiler abwärts. Nur Brouter war das nicht steil genug. Für seine Route abseits der Straße hätte ich einen Fallschirm gebraucht.

Die Straße war super: steil, schöne Kehren, die ich mit Genuss und Tempo gefahren bin, und super glatt. Einmal musste ich pausieren um die Felgen zu kühlen. Natürlich wurde es nach dem ersten Abstieg flacher, lief aber immer noch richtig gut. Und die Berge….

Dann kamen die ersten Dörfer. Dächer und Wände aus Granit. Sehr urwüchsig, Ich fühlte mich hundert Jahre zurück versetzt. Nur die Autos passten nicht dazu

Am berühmten Soglio im Bergell fuhr ich vorbei. Ich hätte nochmal zackig den Berg hoch müssen und hatte keine Lust dazu. Die Landschaft war grandios. Ich brauchte keine Steigerung.
Einige km vor dem See fand ich ein geschütz-tes Plätzchen für die Nacht.

Als ich am nächsten Morgen aus dem Zelt schaute, verschleierte der Dunst die Berge. Die ersten Sonnenstrahlen versuchten sich daran durchzudringen. Es war eine gespenstische Stimmung.
Locker erreichte ich den See. Eine öffentliche Badestelle lud mich zur Rast ein. Der See und die schroffen Berge waren ein Genuss, für den ich mir Zeit ließ.
Eine italienische Altherrengruppe interessierte sich für mich und mein Rad. Leider war ich sprachlich noch nicht fit (und sollte es auf dieser Tour nie werden).

Es war immer noch diesig. So hüllten sich die hohen Berge (hier unsichtbar) in ihren Schleier und ließen sich nicht fotografieren.
Trennungsschmerz.
Zeri zog mich.


